“Die jungen Leute” …

… ist ein Begriff, der mich irgendwie auf die Palme treibt, und zwar aus vielerlei Gründen. Unsere Sprache ist so reich, so differenziert – und wir wissen im Zeitalter des Mindsets einmal mehr, was schon seit der Antike bekannt ist: Sprache macht den Gegenstand.

  1. Die jungen Leute. Wer soll das also eigentlich sein? Prinzipiell alle, die jünger sind als die oder der Sprechende selbst?

  2. Alle, denen man eigentlich sagen möchte: “Werdet Ihr erstmal so alt wie ich, dann werdet Ihr die Welt mit anderen (im Idealfall mit meinen) Augen sehen?

  3. Sind das die, die anders ticken (können), als wir es konnten?

Wie ich etwas benenne, macht einen großen Unterschied. Ich präge damit meine Grundhaltung, die meines Gegenübers und alles, was dann an Kommunikationsprozessen, an Austausch, möglich ist.

Auch “Heutzutage” steht dick unterstrichen auf meiner Vokabel-Blacklist. Menschen, die sich freiwillig aus dem gesellschaftlichen Diskurs verabschieden, um nicht mehr an sich und ihrem Horizont arbeiten zu müssen, ziehen sich gern darauf zurück, dass heutzutage alles anders sei. Aber “Heutzutage” gab es immer. Es bedeuted Jetzt, und ja, jetzt ist immer anders als gestern, vorgestern oder vorvorgestern, als wir selbst noch jünger waren. Das geht auch ewig gestrigen Zwanzigjährigen schon so.

Wie wäre es, liebe “Ältere”, lieber mit der Zeit zu gehen, statt zu einem gesellschaftlich und wirtschaftlich (!) vorgegebenen Zeitpunkt einfach stehen zu bleiben, um ein bequemeres, sprich: widerspruchsärmeres Leben führen zu können? Brüche in der Wahrnehmung, Irritationen der eigenen Lebensphilosophien lassen sich selbst “jetzt im Alter” (auch herrlich, der Terminus! Ab auf die Schwarze Liste) nicht vermeiden, sondern höchstens durch Starrsinn und Aggressivität unterdrücken. Um damit einen tiefen Graben zwischen den Generationen auszuheben. Kein Wunder, dass “die jungen Leute” dann damit aus einem Dialog aussteigen. Man erntet, was man sät.

Eins muss man ja sagen: Den Boden für diese große Distanz haben auch die bestellt, die diese Kategorie nun so eifrig ziehen, wenn es darum geht, in die Altersschublade zu hüpfen, weil sie die Welt nicht mehr verstehen – und Jüngere zu kritisieren. Liegt das angenommene Versagen denn nicht vielmehr auf ihrer Seite? In anderen Ländern, insbesonders im Süden, scheint der Generationenvertrag noch deutlich besser zu funktionieren. Hat das vielleicht mit dem generell höheren Respekt voreinander zu tun? Mit einem religionsgeprägten Wertekanon? Mit unserer antiquierten Biedermeier-Einstellung zu Arbeit und Familie?

Demokratie ist ein hohes Gut – und wir hatten die Möglichkeit, glücklicherweise vielen unserer Kinder beizubringen, dass sie frei ihre Meinung äußern dürfen. Und das tun sie jetzt. Sie sprechen viele Sprachen, sind Europäer, sportlich, musikalisch und eloquent, reisen – und machen sich große Sorgen um ihre Zukunft.

Wir haben es ihnen bequem gemacht – und nehmen ihnen das jetzt übel? Sie sollen die Werte völlig anders aufgewachsener Generationen hochhalten? Ist das denn wirklich so anstrebenswert? Sie stehen doch auf unseren Schultern – und sind oft schon viel klüger als wir. Und das müssen sie auch sein, denn der Wohlstand, der für viele so selbstverständlich zum Leben dazu gehört, wird ihnen klimatisch und weltpolitische jetzt zum Verhängnis. Sie brauchen alle Kraft, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen, und zwar gegen den Widerstand eines ältlichen Overheads, der daran kein Interesse zeigt.

Warum geben wir uns nicht mehr Mühe, einander kennenzulernen? Insbesondere die “älteren Leute” sind hier gefragt, sich zu interessieren, sich zu öffnen und großzügig ihre Lebenserfahrung in die Waagschale zu werfen – äh, und nein: penetrantes Mansplaining und nervige Rechthabereien sind hier nicht gemeint, vielmehr eine vornehme Zurückhaltung – und echtes Interesse!

Menschen haben Wünsche, ob jung, alt oder irgendwo dazwischen. Das ist legitim. Wir alle setzen uns mit Konsum auseinander - die einen, indem sie gnadenlos konsumieren, die anderen, indem sie sehr wählerisch sind und eine neue, woke Philosophie dazu entwickeln. Eine breite Masse tut es unbewußt und lässt sich gut steuern. Auch diese “Errungenschaft” ist nicht neu, sondern von vorangehenden Generationen zu verantworten. Einen übersäuerten Boden zu regenerieren, dauert Jahrzehnte. So ist es auch mit Grundhaltungen. Wir müssen uns fragen: Sind wir mit gutem Beispiel vorangegangen?

Und schleunigst damit anfangen.

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Da freu ich mich jetzt aber!